Templates/News/Detail.html

Das Publikum entscheidet: Theater aus der Box im Wohnzimmerformat, Illustration: Futur3

Pop-up-Theater für Zuhause

Das Ensemble Futur 3 erforscht Performances ohne Performer*innen

 

Kein SrPlus-Artikel

Irgendwann in den nächsten Wo­chen wird uns das Paket erreichen: darin ein ganzes Theater. Eines ohne feste Mauern, ohne opulente Lichttechnik und Bühnenbild. Doch für ein paar Stunden werden wir eintauchen können, in die Geschichte, die, ja, die eigentlich wer genau erzählt? Das Kölner Ensemble Futur3 verlagert ihre Performance-Serie »Parcel from abroad« ins Wohnzimmer. Ein Pop-up-Theater für Zuhause, finanziert durch das »Reload Stipendium« des Bundes, das aufgesetzt wurde, um freie Künstler*innen während der Corona-Pandemie zu unterstützen.

»Wir sind nicht angetreten, um das Theater zu retten«, sagt André Erlen, Mitbegründer des Ensembles. »Wir haben uns schon vor Corona für diese Formate interessiert.« Was er damit meint: Performances ohne Performer*innen, theatrale Situationen, in denen das Publikum selbst entscheidet, wie es weitergeht — und was überhaupt auf der Bühne passiert. In ihrer Serie »Parcel from abroad« packte die Gruppe kleine Pakete, in die Menschen aus völlig anderen Teilen der Welt Briefe gelegt hatten. Was denken die Leute im südukrainischen Kherson über den westlichen Kapitalismus? Wie ernährt man in der kirgisischen Hauptstadt Bishkek seine Familie, während die ökonomische Krise tobt? Die Zuschauer*innen waren aufgefordert, diese Geschichten selbst zu erzählen: Trat niemand ans Mikrofon, las niemand einen der Briefe vor, dann ging es auch nicht los.

»Es geht darum das Stellvertreterprinzip des Theaters aufzulösen: Oben auf der Bühne wird diskutiert, die da unten im Publikum hören zu«, sagt André Erlen. Stattdessen will Futur3 theatrale Begegnungen schaffen, auch mit ihrem Pop-up-Theater »Speak out«. Schon im Januar plane man erste Prototypen an Zuschauer*innen zu versenden: Darin eine Spielanleitung, die ungefähr den Weg weist, worum es in den nächsten Stunden gehen soll, und Aufforderungen zur Inszenierung der Geschichte. Vieles ist denk­bar: Telefonate mit Performer*in­nen, Live-Schaltungen in andere Wohnzimmer, in denen auch gerade das Paket ausgepackt wird, aufziehbare Spieluhren und LED-Lichter. »Die große Herausforderung wird sein, dass man es schafft innerhalb der eigenen vier Wände in das Storytelling einzutauchen«, sagt André Erlen. Nun, da wir uns dort ohnehin die meiste Zeit aufhalten, wird eine kleine Realitätsflucht gut tun.